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Satte Schreie - Teil 2


    Geliehenes Kapital

    auf der matte stehen
    die sargträger im cut

    sprachspiele auf dem
    scheiterhaufen der debatte
    das lachen vergeht einem
    beim anblick der kopfarbeiter

    in den händen gestützt:
    ihr geliehenes kapital


    Damit Du's weißt

    auf einen sprung
    das glück genießen
    das in deinen
    augen schimmert

    wie sich deine
    sehnsucht
    schwärmerisch
    über meinen
    körper hermacht

    ich bin nicht
    stark
    sondern nur
    diszipliniert

    ich bin nicht
    schwach
    sondern nur
    aufrichtig

    global betrachtet
    bin ich ein nichts
    was soll's

    hinter meinen
    schranken
    findest du
    keinen
    wärter

    munter gehe
    ich das trapez ab
    das zwischen dir & mir
    gespannt ist


    Tagträume

    ich schwimme
    durch die tagträume

    auf dem rathausplatz
    begegne ich mir selbst

    lächelnd

    meine hand vor
    dem mund
    signalisiert dir nur

    versteck dich
    mit mir


    Wie ich mich

    wie ich mich
    im duft deiner
    haut finden soll

    wie ich meine
    wärme im körper
    zügeln soll

    ich weiß nicht
    ich weiß nicht

    der drachen steigt
    über das geerntete feld
    die kinder juchzen
    väter am rande

    möglich
    daß ich mich
    morgen
    ganz
    bei dir
    finde

    ohne krawatte
    aber mit gefühl


    leere regale
    meiner geschichte
    wirst du nicht
    füllen

    bau mit mir
    lieber ein haus
    für unser alter

    unsere sehnsucht
    liegt in den
    roten ziegelsteinen
    die wir noch
    backen werden

    wollen wir einfach
    anfangen?


    Manchmal

    manchmal
    braucht
    es den
    tod

    den ein-
    schnitt

    damit ich
    feststelle
    wen ich ver-
    loren
    habe

    kein gebet
    keine litanei

    das verharren
    im schwarzen
    anzug
    bleibt
    schmuck

    ich ver-
    berge
    die
    angst
    nirgends

    aber ich
    fresse
    sie
    auch
    nicht
    auf

    ich bin
    sprachlos
    im unver-
    ständlichen:

    hilfe


    Tag & Nacht

    die windbehauenen steine
    auf dem acker
    die den krähen
    rastplätze sind

    tag & nacht

    gegen die strömung
    des sonnenlichts
    wächst kein wille
    bei den menschen

    tag & nacht

    wenn sich die bäume
    zur erde neigen
    beginnt die ent-
    wicklung zu zirkulieren

    tag & nacht

    in den tagebüchern
    des weisen mannes
    mehren sich die
    leeren seiten

    tag & nacht


    Fliege & Klatsche

    AUF

    JEDE

    FLIEGE

    WARTET

    DIE

    KLATSCHE


    Linkes Bewußtsein

    weil ich auf
    einer baustelle
    die arbeiter
    das bier aus dosen
    trinken sah

    ich aber in einem
    großzügigen
    dreihundert
    quadratmeter-haus
    wohne

    entschloß ich mich
    dosen-bier zu kaufen

    um flexibel
    und politisch
    zu bleiben:

    linkes bewußtsein
    drückt sich in
    taten aus


    Und dann

    sie brennen
    garne in meine augen:
    die wolle

    sie brechen
    steine aus meinem wall:
    der beton

    sie graben
    wasser in meine lunge:
    der atem

    sie tragen
    mulis in meinen kopf:
    die lasten

    sie wirken
    spinnen in meinen mund:
    die leichen

    sie schneiden
    stücke aus meiner haut:
    patch-work

    und dann:
    sie legen
    feuer an meine seele:

    die katastrophe


    Äpfel

    wenn,
    ich sage:
    wenn

    wenn wir
    jemals
    zusammen
    äpfel
    pflücken
    sollten

    gibst
    du
    mir
    dann

    deinen?


    Dezember-Tage

    auf der suche nach der wärme
    in diesen dezember-tagen
    stürze ich an den tee-kessel

    vor dem tor zur
    erfrischenden niedertracht
    auf den schlachtbänken
    haben die fachleute
    die manuskripte meiner
    alpträume defloriert

    blut tropft auf die
    wildleder-schuhe
    saugt sich fest
    verkrustet

    das bin ich nun:
    ein fleck
    und komme
    in der welt herum

    stumm, wie ihr
    das doch
    haben wolltet


    Jäger

    ich war nie
    ein jäger
    habe keine
    finalen bedürfnisse

    auf einer lenkstange
    konnte ich nie den
    sonnenaufgang
    entdecken

    fadenkreuze finde
    ich hochentwickelt
    aber niederträchtig

    ferngläser sind
    angeklagt, die
    intimität zu
    zerstören

    nein
    jäger war ich nie
    aber
    jetzt als gejagter

    frage ich mich:
    hättest du nicht
    vielleicht doch ...?

    NEIN
    nein, nein


    Braun

    der morgenkaffee
    auf dem gedeckten
    (wer deckt wen?)
    tisch

    aus dem fenster
    schauen und den
    fluß fliessen sehen

    braun
    so
    braun

    krawatte schon
    um den hals
    gebunden
    das deodorant
    angelegt

    die muscheln
    der sorglosigkeit
    spielen badminton

    auf der zeitungstribüne
    schlummern die väter
    des grundgesetzes

    braun
    so
    braun

    die opfer der nacht
    lungern in den
    schreibstuben
    der macht

    farbbandwechsel
    am montag
    damit die
    arbeit klarer
    wird

    die tournee der floskeln
    wird von canarienvögeln
    begleitet - oh, schreck

    an der haltestelle
    für verlassene erotik
    stempeln die leute
    ihre tageskarte
    ins unglück

    mocca wird
    angeboten auf
    der terrasse der
    ignoranz

    braun
    so
    braun

    die aktien der ölgesellschaft
    spalten die herzen der
    manager - psychosozialer infarkt

    ihre frauen pendeln
    das leben aus -
    zwischen boutiquen
    und liebhabern

    die leere des alltags
    prägt ihre sehnsucht
    nach erlebnissen
    plötzlich wird ihnen
    bewußt:
    heraus aus dem getriebe
    mehr lust an die laster
    fliegen und ankommen

    braun
    so
    braun

    ab morgen
    wird gelebt
    - das hatten wir schon -
    ab morgen
    wird bewußt gelebt
    - ach, ja -

    die caraffe des seins
    spielt die hauptrolle
    beim verteilen
    der chancen

    risiko, meine
    damen und herren
    ist die bratwurst
    des geschäftsmannes
    - hingelangt! -

    endlich:
    der masturbation
    sind keine grenzen
    gesetzt
    und:
    fellatio
    ahoi!

    die segel sind
    auf nordwind
    gebogen
    nicht einmal
    die möwen kreischen
    der kutter:

    braun
    so
    braun

    auf dem amt für
    soziale seelsorge
    werden neue
    karteikarten
    angelegt

    die börse für
    hoffnungslosigkeit
    erhält nahrung

    meinen trenchcoat
    hatte ich bei hertie gekauft
    aber das, so wird mir bedeutet
    ist jetzt irrelevant

    der morgenkaffee
    heute koffeinfrei
    - entschuldigung -
    aber hauptsache:

    braun
    so
    braun


    Für Caroline

    die landzunge
    vertrocknet
    unter der hitze
    der diskussionen

    das bißchen wasser
    schafft die trockenen
    reden nicht mehr fort

    Caroline, oh nein
    bemüh dich nicht
    deine versuche
    kanäle zu bauen
    scheitern an der
    zwietracht der männer

    ihre opferbereitschaft
    gilt nur der eigenen
    eloquenz
    das verstehen fremder
    sprachen halten sie
    für exotischen
    schnickschnack

    daß sie sich
    dabei die
    barrieren der
    einfalt errichten
    ist nur
    denjenigen
    vertraut
    die lange
    um sie
    geweint
    haben

    die geschliffenen muster
    deiner preziosen
    werden von ihnen
    verbal abgeschmirgelt

    ihren genuß finden
    sie in der lust an
    der selbstbespiegelung

    die scheinwerfer
    die sie auf sich
    selbst richten
    treiben schweißperlen
    auf ihre stirn

    ängstlich spielen
    sie ihren größen-
    wahn aus

    sie greifen nach
    dem brotmesser
    um die schärfe
    ihrer argumente
    zu unterstreichen

    was sie an den
    fontänen der
    springbrunnen
    finden, ist ihr
    ungestilltes
    bedürfnis nach
    lamoryanz

    sitzen sie dir
    gegenüber
    finden sie sich
    in der leere
    ihrer wüsten triebe

    wenn das meer
    die landzunge nicht
    mehr umspült
    kriecht die angst
    in ihre
    männlichen körper

    caroline
    sei behutsam:

    keine regenschirme
    für baumwoll-helden


    Standpunkt

    wer
    am
    rande
    steht
    lacht
    nicht
    weil
    das
    zwerch-
    fell
    zu
    vibra-
    tionen
    neigt


    Schrei

    nach
    moral
    und
    nach
    einsicht
    nach
    gefühl
    und
    nach
    lust
    nach
    demut
    und
    nach
    prägnanz
    nach
    stille
    und
    nach
    ideen
    und
    nach
    und
    so
    weiter
    schreie
    eben

    aus der
    mitte
    des
    zweifelns


    Hannelore

    da bietest du
    deine stirn

    wägst sie
    an meiner
    ab

    und ver-
    schwindest
    wieder

    was für
    ein
    abend
    hätte das
    werden
    können


    Der gewisse Mann

    nichts bleibt einem erspart
    es muß gejoggt und geradelt werden
    auf grill-parties müssen
    die steaks den schlund hinabgepreßt werden

    frauen lauern auf befriedigung
    dem muß man sich stellen

    selbst champagner ist zu trinken
    wenn die richtigen miezen winken
    häuser sind zu mieten und
    vorbereitungen zum erfolg zu treffen
    kondome beiseite zu legen
    und transistoren ins radio
    nachsendeanträge bei der post zu stellen
    selbst frische unterhosen
    müssen besorgt werden
    auf der warteliste steht
    der urologe und dem
    friseur ist noch ein besuch
    abzustatten

    auf der lauffläche
    der eleganten ignoranz
    müssen noch der wippende
    gang simuliert und die
    schuhe poliert werden

    das glück will erarbeitet sein
    solarium und ab geht die dynamische
    bräune durch leib und seele

    den mätressen die mächtige
    dem vergnügen die versiegende
    virilität

    dennoch jeden sonnenstrahl
    auf der haut plazieren
    die herzrhythmus-serie
    unter kontrolle halten
    erholung ist harte arbeit
    besonders wenn man allein ist
    und man seriell zum besten geben kann
    welche hörner einem aufgesetzt worden sind

    wirklich & echt:
    nichts bleibt einem erspart

    wenn man selbst
    erst einmal
    sanierungsbedürftig ist
    steigen die kosten
    ins unermeßliche


    End-Täuschung

    lösen sich
    die magnolien
    von den
    brüstungen
    der ver-
    sprengten
    kämpfer

    brechen sich
    die kastanien
    an dem
    vakuum
    der bewußt-
    losen
    millionäre

    graben sich
    die platanen
    in die
    fußsohlen
    der ge-
    schlagenen
    wanderer

    legen sich
    die oleander
    an die
    seelen
    der ver-
    zweifelten
    männer

    legt sich
    das leben


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